Schreiben können doch alle – denkste!

Ich hatte schon als Kind eine enorme Phantasie.

Ich verkleidete mich gerne, wollte sein wie die Erwachsenen, denen viel mehr erlaubt war als mir. Meine Mutter brachte mir früh Lesen und Schreiben bei. Eine neue Welt tat sich für mich auf. Mit Spannung las ich die ersten Bücher, die ich geschenkt bekam. Dass ich einmal selber welche schreiben würde, ahnte ich damals noch nicht.

Ich war fasziniert von den Geschichten zwischen den Buchdeckeln. Als ich «Der rote Seidenschal» von Federica des Cesco las, wollte ich ein Indianer sein: eins mit der Natur, wild und tapfer.  Als ich Bruno Staneks Raumfahrt-Buch las, wollte ich ins All fliegen, ferne Planeten erkunden. Ich begann, überall zu lesen, wenn nötig nachts unter der Bettdecke im Schein einer Taschenlampe, ich verschlang alles, was ich zu fassen kriegte.

An einem stürmischen Tag vor der Kirche, in meiner Nähe ein stark betrunkener Mann. Er stört mich immer wieder. Doch unbeirrt erzähle ich meine Geschichte.

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Aber wie kommt eine Leseratte wie ich auf die Idee, ein Buch zu schreiben?

Der Grund liegt in der Krankheit, die Ende 2015 bei mir ausbrach. Auf einmal war mein Leben aus den Fugen. Bei der Arbeit fiel ich monatelang aus. Nichts wollte ich lieber, als wieder zu unterrichten. Doch es ging nicht mehr wie früher.

Im Sommer saß ich auf der Terrasse, genoss die Hitze und das Nichtstun. Träge schwappten meine Gedanken hin und her, hierhin und dorthin. Immer wieder tauchten dieselben Gedanken auf: Wie wird das weitergehen mit meiner Krankheit, wird mein Leben je wieder so sein, wie es war? Wenn nicht, soll ich meine Stelle kündigen? Mir wurde klar: Ein Hundertprozent-Job, das geht nicht mehr. Ich werde kündigen und danach werde ich einen Krimi schreiben. Gleich nach den Ferien fang ich damit an.

Ahnungslos

Hätte ich gar nicht erst mit Schreiben angefangen, wenn ich gewusst hätte, auf was ich mich da einließ? Möglich, aber unwahrscheinlich.

Damals dachte ich wie viele Leute auch: Schreiben können doch alle. Nur Zeit haben nicht alle und ich hatte auf einmal Zeit. Was ich nicht wusste: Um einen Roman zu schreiben, muss man lange üben, hart arbeiten und das Handwerk lernen. Und man muss leiden können. Hart arbeiten, das konnte ich, das habe ich für meinen Unterricht getan. Was das Üben anbelangt: Mein Lebenspartner, André sagte mir ganz klar, nachdem ich ihm die ersten Seiten zu Lesen gegeben habe, mein Manuskript sei völliger Mist. Er hatte Recht. Und dann fing das Leiden an. Aber ich gab nicht auf, überarbeitete den Text so oft, bis er okay war.

ein Verlag muss her

Jetzt musste nur noch ein Verlag her, der das Buch druckte. Wie schwierig das war, wusste ich nicht. Aber heute weiß ich: Nur rund ein Prozent der eingesandten Manuskripte werden von Verlagen angenommen. Mehr können sich die Verlage nicht leisten, sonst wären sie bald bankrott.

Am 18. Juni 2019 war es dann soweit: Ich hielt ich mein erstes Buch in den Händen. Ein schönes Buch, ich war sehr zufrieden. Jetzt war ich zur Schriftstellerin geworden.

Wenn mir das jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, ich hätte gelacht und gesagt, dafür hätte ich keine Zeit.