Sex-Szenen im Krimi
Für meinen ersten Krimi habe ich eine Sexszene geschrieben. Das war nicht einfach. Ich dachte damals, das gehöre in einen Roman hinein. Die Worte flogen mir nicht von selbst zu. Welche Bezeichnungen sind angemessen, welche nicht? Und ähnliche Fragen wälzte ich hin und her.
Nach diesem „Vorspiel“ stand in einer ersten Version folgendes auf Papier zu lesen:
Steinalper erwachte langsam. Er spürte eine zärtliche Hand über seinen Oberkörper wandern. Die Hand bewegte sich auf sein steifes Glied zu, streichelte und rieb es, um plötzlich außerhalb seinem Schaft liegen zu bleiben. Enttäuscht reckte er sich ein wenig und öffnete die Augen. Seine Partnerin Lisa betrachtete ihn verschlafen, die Haare zerzaust, die Wangen noch gerötet vom Schlaf.
«Guten Morgen, könntest du nicht da weitermachen, wo du aufgehört hast? Es war so schön.»
Sie nickte, setzte ihr Streicheln und Lecken fort und drückte sich eng an ihn.
Er genoss ihre Berührungen. Plötzlich konnte er sich nicht mehr beherrschen.
«Bitte, Lisa, lass mich dich lieben, ich kann nicht mehr.»
Sie spreizte ihre Beine, um ihn willkommen zu heißen. Er legte sich auf sie und genoss das Gefühl, ihre Haut auf seiner eigenen zu spüren. Seine rechte Hand streichelte ihre Brüste, liebkoste sie eine nach der anderen. Sein Mund umschloss zuerst ihre rechte Brustwarze, dann die linke.
Auf einmal läutete sein Smartphone.
Das Video wurde sofort nach dem Hochladen tausendfach angeklickt. Vermutlich weil als Intro das sexy Paar auf dem Buch zu sehen war. Oder weil im Titel das Wort Sex stand? Da sieht man, dass «Sex sells» eben doch stimmt. Ich habe das Intro geändert. Die Klickrate ging massiv zurück.😊 Laufzeit des Videos: 6:44
Sex-Sprache
Heute weiß ich: Es gibt keine geeignete Sprache für das, was beim Beischlaf abläuft, weder derbe Wörter noch medizinische Fachbegriffe sind angemessen. Und trotzdem ist es im Trend: Immer mehr Autoren beschreiben Sex explizit. Das liest sich eher wie sexuelle Turnübungen.
Sex beginnt im Kopf
Ich bin nicht prüde, aber Sexszenen sind von mir aus gesehen dem Text nicht zuträglich. Das habe ich gelernt. Sex bloß andeuten, das ist besser. Die Phantasie anregen ja. Wenn wir ein Paar beim Sex beobachten, sehen wir es nicht wie Tierchen unterm Mikroskop. Nein, wir fühlen uns in sie hinein. Unser Blut gerät in Wallung. So sind wir Menschen. Wir denken nicht nur an Fortpflanzung.
Und hier die definitive Version aus Band eins:
Edgar Steinalper erwachte langsam. Er spürte eine zärtliche Hand über seinen Oberkörper wandern. Die Hand bewegte sich tiefer. Er reckte sich ein wenig und öffnete die Augen. Seine Lebenspartnerin Lisa schaute ihn aus verschlafenen Augen an, die Haar zerzaust, die Wangen noch gerötet vom Schlaf.
«Guten Morgen.»
Sie gähnte und setzte ihr Streicheln fort. Er genoss ihre wohltuende Nähe. Eine vorwitzige Strähne ihres schwarzen Haares kitzelte ihn an der Nase.
Das zärtliche Spiel wurde abrupt abgebrochen, als sein Handy läutete.
Welche Version gefällt dir besser?
Die Meinung von Autoren
Ich habe drei Autoren und eine Autorin gefragt: Was denkst du über Sex in Romanen, im Speziellen in Krimis?
Anton Riva
«Wer etwas über Sex lesen will, kauft sicher nicht einen Kriminalroman.»
Conny Giammarresi
«Ich bin da sehr offen. Wir haben alle Sex, aber niemand will darüber reden.»
Charles-Louis Joris
«Das gehört alles dazu. Wegen Sex geschehen viele Verbrechen.»
Nicolas Eyer
«Das hängt von der Story ab. Ich würde es nicht als Verkaufsargument in meine Stories einflechten.»
Am Ende unseres Lebens haben wir im Schnitt 48 Tage lang Beischlaf mit allem Drum und Dran gehabt. Das ist fast schon eine homöopathische Dosis bei einer Lebenserwartung von 81,5 Jahren (Männer) und 85,3 Jahren (Frauen). Soll ein Roman eine Prise in derselben Dosierung enthalten? Was meinst du?