Aus und vorbei
Daniela Kämpfen, Buchhändlerin und Aussteigerin
Beinahe vierzig Jahre lang lief ich Jeden Morgen die alte Simplonstraße in der Altstadt von Brig hoch zur Berufsfachschule. Bis zu meiner Pensionierung unterrichtete ich dort KV-Lernende und Berufsmaturanden. Morgens und abends führte mein Weg am Wegenerplatz mit seinen kleinen Läden vorbei. Das Schaufenster eins Ladens musterte ich beim Vorbeigehen jeweils genau: Das der Buchhandlung & Papeterie Wegenerplatz.
Die kleine Buchhandlung
Ab 1997 führte Daniela Kämpfen dort an der alten Simplonstraße 20 während zweiundzwanzig Jahren das kleine Geschäft im grünen Haus mit dem historisch anmutenden Aushängeschild “Wegenerplatz”. Danach war Schluss. Vor dem Laden stellte sie für jeden etwas aus, Bücher, Bestseller, Flops und Must-Haves für Studierende, Hausfrauen. Im Inneren fanden sich Radiergummis, Schreibhefte, Karten und nochmals Bücher. Alles für den Alltag eines Studierenden, einer Leseratte oder eines Lyrikliebhabers und allen anderen.
Tukan im Schaufenster
Daniela Kämpfen, schmückte das Schaufenster ihres Buchladens oft auf eine eher unkonventionelle Art. An eine Gestaltung ihres Schaufensters erinnere ich mich besonders. Damals stand links ein kleiner, roter Kühlschrank, in der Mitte saß ein mittelgroßer Tukan auf einem künstlichen Ast, darunter standen grüne Softgetränkflaschen mit einem Tukan auf der Etikette. Künstliche Palmwedel und all das, was ein Dschungelfeeling sonst noch so alles unterstreichen konnte, rundete das Ganze ab. Zuunterst waren sogar Papierservietten und Kissen mit Tukan-Abbildungen zu sehen. Was das alles mit Büchern zu tun hatte, war mir schleierhaft.
Passionsfruchtsaft
Auf einem A4-Blatt neben dem Kühlschrank fand ich des Rätsels Lösung, um was es bei der originellen Inszenierung ging. Lernende des örtlichen Gymnasiums Spiritus Sanctus hatten in einer Abschlussarbeit ein Unternehmen gegründet und ein neues Produkt lanciert: Den Tukan-Drink „Passoias“, auf der Basis von Passionsfruchtsaft. Daniela Kämpfen unterstützte die Schüler, stellte ihnen ihr Schaufenster zur Verfügung, um für den neuen Drink zu werben. Das Schaufenster fiel gewaltig auf, machte Lust den Laden zu betreten, um das Tukangetränk auszuprobieren.
Ich habe damals eine Flasche gekauft und den Drink noch im Laden ex getrunken, es schmeckte wunderbar. Die Flaschen, die ich nach Hause nahm, waren schnell ausgetrunken.
Ob die jungen Leute Erfolg mit ihrem Drink hatten, ob es ihr Unternehmen noch gibt, weiß ich nicht.
Ein sicheres Geschäft
Erfolg hatte Daniela Kämpfen mit ihrem Laden während vielen Jahren. Zweiundzwanzig Jahre lang führt sie die Buchhandlung. Die Kundschaft, Lernende und Lehrkräfte, lief tagtäglich auf dem Weg zu drei Schulen an ihrem Laden vorbei. Ihr Ziel war entweder das Gymnasium, die Berufsfachschule oder die Mittelschule der Klosterfrauen. In Kämpfens Laden kauften die Lernenden ihre Schulbücher, -hefte und was man sonst noch im Unterricht so brauchte. Die Lehrpersonen ihrerseits bestellten Klassensätze von Lehrbüchern und ließen sie sich in die Schulen liefern. Ein sicheres Geschäft. Zu Beginn des Schuljahres gab‘s am Meisten zu tun. Doch das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert.
(Bildquelle canal 9)
Die Schulwelt veränderte sich. Mehr und mehr verzichteten Schulen auf gedruckte Lehrbücher, wechselten zu digitalen Lerninhalten. Abgelegt wurden die Arbeitsunterlagen immer weniger in Ordnern.
Zu wenig zum Leben
In den letzten Jahren, in denen ich unterrichtete, führten wir an der Schule Google Classroom ein, eine Internetplattform, bei der Hausaufgaben, Gruppenarbeiten usw. Papierlos bearbeitet werden. Solche und ähnliche Entwicklungen war der Anfang vom Ende des kleinen Ladens am Wegenerplatz. Gegenüber dem Lokalradio rro sagte sie: „Es hat in den ganzen Jahren immer wieder Einbrüche gegeben, wo es auch für mich knapp wurde.” Kleine Läden hätten in der heutigen Zeit des Onlinehandels und der Großverteiler Mühe. Jahrein, jahraus wussten Schüler, dass es an der Ecke im kleinen Bücherladen die Bücher zu kaufen gab, die man brauchte.
Die Situation im Gewerbe sieht für Daniela Kämpfen auch in Zukunft nicht gut aus: “Als Detailhändler, der davon leben muss, wird es schwierig. Das merke ich schon seit Jahren.” Sie mache am Samstag gar nicht auf, da es keine Laufkundschaft gebe, erklärt Kämpfen weiter.
Die Schließung
Die Entwicklung nahm ihren Lauf. Das kleine Geschäft von Daniela Kämpfen brachte ihr nicht mehr genügend ein, dass sie davon hätte leben zu können. Sie musste die Buchhandlung & Papeterie Wegenerplatz nach zwanzig Jahren schließen. Daniela Kämpfen schlug danach neue Wege ein. Sie wanderte aus, aber wo wohin und zu welchem Zweck?
Hör dir die Geschichte von Daniela Kämpfen im Video-Interview an. Du hast die Wahl zwischen einer Kurzversion und einer Version des ganzen Interviews.