Du sollst nicht morden!

Mord ist eine schlimme Straftat. Das vorsätzliche Töten eines anderen Menschen aus niedrigen Beweggründen ist eine heimtückische, grausame Tat. Das steht ausser Zweifel.

Als Krimiautorin befasse ich mit zwangsläufig mit der Frage, auf welche Art jemand umgebracht werden kann, denn in einem Krimi ist bei einem Mordfall stets die Todesart von Interesse. Wie kommen die Opfer ums Leben?

Was ich jetzt schreibe, mag brutal erscheinen. Wem davor graust, liest besser nicht weiter, dürfte aber auch keinen Krimi mehr schauen oder lesen.

Video zum Beitrag

Laufzeit 4:10

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, jemanden ins Jenseits zu befördern. Einfach ist es nicht. Ich könnte es auf jeden Fall nie und nimmer.

Peng!

Das Opfer greift sich ans Herz, fällt tödlich verletzt rückwärts zu Boden, eine Blutlache breitet sich aus. Womit wurde geschossen? Pistole, Gewehr, Schrotflinte? Die Spuren in der Umgebung und an der Leiche werden gesichert. Die Form der Wunde verrät dem Rechtsmediziner, aus welcher Entfernung der Mörder den Schuss abgegeben hat.

Wamm! Stumpfe Gewalt

Der Täter haut dem Opfer eins über den Schädel. Knochen brechen, Blutgefässe platzen. Besonders empfindlich reagiert das Gehirn auf diese Form der Gewalt: Bewusstseinstrübungen, Hirnprellung – ein Zustand, der nachweisbare Schädigungen des Gehirns umfasst und mit manchmal längerer Bewusstlosigkeit verknüpft ist. Oder noch schwerer: ein Schädelhirntrauma. Das führt unweigerlich zum Hirntod.

Tsschh! Scharfe Gewalt

Klingen führen zu Stichverletzungen oder/ und Schnittverletzungen. In jeder Küche hat es genügend Messer, die zur Verfügung stehen. Stichverletzungen deuten meist auf einen Angriff hin. Wer Suizid begeht, schneidet sich zwar ins eigene Fleisch, sticht aber nicht zu.

Zisch! Der Stromtod

Axt oder Beil, der Stromtod in der Badewanne (Föhn) das ist ein geradezu klassisches Krimi-Motiv. Ob der Föhn zufällig ins Wasser gefallen ist oder hineingeworfen wurde? Und wenn ja, von wem? Selbsttötung oder Mord?

Ein weiteres Beispiel: In manchen Actionfilmen kann man sehen, wie der Held den Bösewicht besiegt, indem er ihm zwei Stromkabel auf den Leib presst.

Brr! Der Kältetod

Die schwere Eisentür schliesst sich. Der Mann ist in der Kühlkammer gefangen, isoliert von der Aussenwelt, ohne Handy-Empfang. Wenn der Mörder sich vorsieht, hinterlässt er keine Spuren an der Tür der Kältekammer. Der Erste, der etwas in der Kältekammer holen will, findet nur noch einen leblosen Körper.

Pfff! Feuertod

Ein anonymer Anrufer meldet der Polizei eine Explosion. Die Feuerwehr, zum Löschen eines Holzdepots einer Schreinerei gerufen, findet im Schutt des Gebäudes Überreste eines menschlichen Körpers. Hat das Opfer beim Einsetzen des Brandes noch gelebt, war also das Feuer die Todesursache? Ist der Brand durch einen Unfall entstanden? Oder war der Mensch schon tot, bevor er verbrannte? Liegt womöglich ein Gewaltverbrechen vor, das das Feuer vertuschen sollte?

Chhh! Ersticken

Der habgierige Enkel drückt der reichen Oma im Schlaf das Kissen auf das Gesicht. Der Oma geht der Sauerstoff aus, ihr Gehirn fällt aus.

…! Gift

Der Mann verdreht theatralisch die Augen, zuckt krampfhaft und fällt schliesslich vornüber. So kommt es in Krimis vor. Tatsächlich ist es nicht so: Die wenigsten Gifte strecken einen Menschen von einer Sekunde zur anderen nieder.

Klebstreifen

Letzte Woche wurde ein Doppelmörder vom Zürcher Obergericht zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Täter hatte kaltblütig zwei Leben ausgelöscht: Er klebte seinen Opfern Mund und Nase zu, sodass sie bei vollem Bewusstsein erstickten.

Ich denke, dass du deine Krimis weiterhin lesen willst, nachdem du diesen Beitrag gelesen hast. Vielleicht liest du deine Lieblingskrimis sogar noch einmal.

Warum Buch und Film nicht dasselbe sind

Schaust du Krimis oder liest du sie?

Die Leute lieben Krimis. Ein Blick auf die Bücher-Bestsellerlisten bestätigt dies. Insofern verwundert es nicht, dass rund ein Viertel der Fernsehsendungen Kriminalfilme sind, noch vor Komödien, Action- oder Liebesfilmen. Die Sender setzen wie die Buchverlage auf Krimis. Es wird fleissig gestorben. Die Zahl der Morde im Fernsehen übersteigt die realen um ein Vielfaches. Genauso wie diejenigen in Romanen.

Kriminalfilm oder Kriminalroman?

Was unterscheidet einen Kriminalfilm von einem Kriminalroman? Ein Kulturkämpfer und zwei Krimiautorinnen haben mir auf diese Frage spontan geantwortet. Schau dir das Video dazu an.

Jean-Pierre D’Alpaos

Kulturkämpfer

Christine

Bonvin

Krimiautorin

http://bonvinc.bonne-eau.ch/

Regine

Frei

Krimiautorin

https://www.reginefrei.ch/

Erfahre mehr im Video

Laufzeit: 5:14

Bilder

Film und Buch haben Gemeinsamkeiten. Beim Film nimmt der Zuschauer die Bilder so wahr, wie sie der Regisseur arrangiert hat, es sind bewegte Bilder. Beim Buch hingegen entstehen die Bilder im Kopf des Lesers. Bei jedem Leser sind sie anders. Bestimmt hast du auch schon einen verfilmten Roman angeschaut und warst enttäuscht.

Ich habe einen Krimi von Donna Leon gelesen. Später sah ich den Fernsehfilm dazu. Von Commissario Brunetti hatte ich mir beim Lesen ein Bild gemacht. Der Darsteller im Film entsprach überhaupt nicht meinem Bild von Brunetti.

Worum geht es in einem Krimi?

Es geht im Film wie im Roman um Kriminalgeschichten. Im Zentrum stehen zweifellos Schuld und Sühne. Es geht um das Böse im Menschen. Um menschliche Abgründe, um das Verderbte. Die Schattenseiten des Lebens. Die Regeln des Alltags sind auf den Kopf gestellt.

Herstellung

Für einen Roman braucht es nicht nur einen Schriftsteller und einen Verlag. Es braucht Lektoren, Korrektoren, die Druckereien usw. Für einen Film braucht es viel mehr Akteure: vom Regisseur, über den Drehbuchautor, die Schauspieler, Kameraleute, bis zum Cutter und viele mehr.

In einem gewissen Sinn ist ein Buchautor Regisseur und Drehbuchautor in einem.

Aufbau

Jeder Film, jeder Roman hat wie jede Geschichte eine Struktur. Sie hat sich – seit es Menschen gibt – bewährt. Sowohl Romane wie Videos arbeiten nach diesem Prinzip.

In einem Krimi setzt ein auslösendes Ereignis die Geschichte in Gang: Der Kommissar und seine Assistentin werden zum Tatort gerufen. Im Höhepunkt findet die entscheidende Auseinandersetzung zwischen dem Kommissar und dem Schurken statt. Im Film sind dann alle Waffen leergeschossen. Im letzten Teil gesteht der Täter. Er wird überführt.

Tempo

Durch die Sozialen Medien werden wir zur immer schnelleren Aufnahme von Eindrücken erzogen. Das zunehmende Tempo von Filmen bezahlen wir mit immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen. Ein Kriminalroman verlangt im Gegensatz dazu eine viel längere Aufmerksamkeit des Lesers.

Harte Schnitte – übergangslose Übergänge

Die Filmemacher haben den Zuschauern den harten Schnitt antrainiert. Dem tragen Krimiautoren längst Rechnung, wenn sie den übergangslosen Übergang wählen. Damit legen sie ein hohes Tempo vor und vermeiden beispielsweise langweilige Autofahrten vom Tatort zum Polizeiposten. Der Leser füllt die Leerstellen selbst.

Deine Meinung ist gefragt

Was meinst du zu diesem Thema? Ich bin gespannt, was du darüber denkst.

Mörderische Ideen

Jeden Tag Verbrechen

Im Fernsehen vergeht kein Wochentag ohne einen oder mehrere Krimis im Programm. Keine Stadt ohne fiktiven TV-Kommissar. Jeden Tag klären Krimis auf allen Kanälen innerhalb einer knappen Stunde einen Mordfall auf.

Ohne Krimi geht die Mimi nicht ins Bett …

So sang Bill Ramsey in einer Komödie 1962.  Dieser Ohrwurm kam mir in den Sinn, als ein Mann mir einmal erklärte, er habe schlaflose Nächte, weil seine Frau meinen Krimi lese.

Jedes vierte verkaufte Buch ist ein Krimi. In der Schweiz werden mehr Krimis geschrieben als Morde begangen werden. In den vergangenen zehn Jahren waren es rund siebzig Krimis pro Jahr. Und wegen mir war es noch einer mehr.

Ideen in meinem Kopf

Wie sind sie entstanden? Erfahre mehr im folgenden Video. Laufzeit: 5:31

Eine Tasche voller Krimis

Meine Schwester schenkte mir vor Jahren eine Tasche voller Kriminalromane. Die seien interessanter als historische Romane oder Liebesromane, sagte sie. Ich begann, die Krimis zu lesen. Sie faszinierten mich. Als ich den letzten gelesen hatte, schlug wie aus dem Nichts eine Idee in meinem Kopf zu: Ich will selber einen Krimi schreiben. Bei der Idee blieb es nicht. Und wie ging es weiter? Wie kam ich auf die mörderischen Verbrechen in meinem ersten Krimi?

Party

Außer im Winter schlafe ich bei offenem Fenster. Vor allem an Wochenende höre ich den Lärm der Partygänger auf dem nahen Stadtplatz. Hinter ihnen sind die Türen der Bars schon längst geschlossen worden. Auf den Stadtplätzen feiern sie weiter, dort grölen sie, schreien und werden handgreiflich. In meinem Schlafzimmer höre ich die Schreie und die dumpfen Schläge der Betrunkenen, die sich prügeln.

Leiche

Ich liege dann wach, und versuche mir vorzustellen, was dort vor sich geht. Was wäre, wenn einmal jemand totgeschlagen wird? Gäbe es Zeugen? Was würde der Schläger mit der Leiche machen? Sie in den Fluss werfen? Oder würde er die Leiche irgendwie sonst verschwinden lassen? In der Tiefkühltruhe des nahen Restaurants, wo sie irgendwann wieder zum Vorschein kommen würde? Wäre es ein Tötungsdelikt oder ein perfider Mord? Steinalpers erster Fall kam ins Rollen.

Demenz

Ich hatte mit Schreiben begonnen, da zeigte meine Mutter erste Anzeichen von Demenz.

Ich fand heraus, dass es kein Mittel gegen diese Krankheit des Vergessens gibt. Der Wunsch, es möge ein Medikament geben, um den Krankheitsprozess zu stoppen – eine Art Wundermedikament – wuchs in mir. In einem Buch wäre das möglich. Diese Idee verwob ich mit dem Toten in der Tiefkühltruhe zu meiner ersten Geschichte mit Kommissar Steinalper.

am Bettmersee

Die Idee für den zweiten Krimi kam mir beim Spazieren am Bettmersee. Es war ein wunderschöner Spätherbsttage, der vergiss-mein-nicht-blaue Himmel so nah, dass man in ihm wie in einem Meer zu versinken schien, wenn man länger hineinschaute. Mit der Kamera machte ich mich auf Entdeckungstour rund um den See.

Bootshaus

Meine Gedanken drehten sich um die hochalpine Natur um mich herum. Nichts weiter. Bis ich hinten beim Bootshaus ankam, da kribbelte es in meinem Kopf: Was würde wohl geschehen, wenn hier ein Toter im Wasser läge? Und ein Wolfspelz gleich mit? Ich wusste sofort: Das wird ein neuer Fall für meinen Kommissar Steinalper. Ob meine kriminelle Idee funktionieren konnte? Ich fragte Fachpersonen: Taucher, Förster, Jäger, Büchsenmacher, Bahndirektoren. Alle waren sie sehr hilfsbereit. Ihr Fachwissen brachte meine Story vorwärts. Ohne sie wäre mein Kriminalroman «Der Tote im Wolfspelz» so nicht möglich gewesen.

Sex sells?

«Sex sells» ist eine Redewendung aus der Werbebranche. Ein Produkt verkauft sich besser, die Umsätze sind höher, wenn es zusammen mit sexuellen Inhalten präsentiert wird. Gilt das ebenso für Krimis? Wer einen Krimi kauft, kauft ihn mit Sicherheit nicht wegen den darin enthaltenen Sex-Szenen, denn das ist die Domaine der Erotik-Romane.

Sex-Szenen im Krimi

Für meinen ersten Krimi habe ich eine Sexszene geschrieben. Das war nicht einfach. Ich dachte damals, das gehöre in einen Roman hinein. Die Worte flogen mir nicht von selbst zu. Welche Bezeichnungen sind angemessen, welche nicht? Und ähnliche Fragen wälzte ich hin und her.

Nach diesem „Vorspiel“ stand in einer ersten Version folgendes auf Papier zu lesen:

Steinalper erwachte langsam. Er spürte eine zärtliche Hand über seinen Oberkörper wandern. Die Hand bewegte sich auf sein steifes Glied zu, streichelte und rieb es, um plötzlich außerhalb seinem Schaft liegen zu bleiben. Enttäuscht reckte er sich ein wenig und öffnete die Augen. Seine Partnerin Lisa betrachtete ihn verschlafen, die Haare zerzaust, die Wangen noch gerötet vom Schlaf.

«Guten Morgen, könntest du nicht da weitermachen, wo du aufgehört hast? Es war so schön.»

Sie nickte, setzte ihr Streicheln und Lecken fort und drückte sich eng an ihn.

Er genoss ihre Berührungen. Plötzlich konnte er sich nicht mehr beherrschen.

«Bitte, Lisa, lass mich dich lieben, ich kann nicht mehr.»

Sie spreizte ihre Beine, um ihn willkommen zu heißen. Er legte sich auf sie und genoss das Gefühl, ihre Haut auf seiner eigenen zu spüren. Seine rechte Hand streichelte ihre Brüste, liebkoste sie eine nach der anderen. Sein Mund umschloss zuerst ihre rechte Brustwarze, dann die linke.

Auf einmal läutete sein Smartphone.

Das Video wurde sofort nach dem Hochladen tausendfach angeklickt. Vermutlich weil als Intro das sexy Paar auf dem Buch zu sehen war.  Oder weil im Titel das Wort Sex stand? Da sieht man, dass «Sex sells» eben doch stimmt. Ich habe das Intro geändert. Die Klickrate ging  massiv zurück.😊 Laufzeit des Videos:  6:44

Sex-Sprache

Heute weiß ich: Es gibt keine geeignete Sprache für das, was beim Beischlaf abläuft, weder derbe Wörter noch medizinische Fachbegriffe sind angemessen. Und trotzdem ist es im Trend: Immer mehr Autoren beschreiben Sex explizit. Das liest sich eher wie sexuelle Turnübungen.

Sex beginnt im Kopf

Ich bin nicht prüde, aber Sexszenen sind von mir aus gesehen dem Text nicht zuträglich. Das habe ich gelernt. Sex bloß andeuten, das ist besser. Die Phantasie anregen ja. Wenn wir ein Paar beim Sex beobachten, sehen wir es nicht wie Tierchen unterm Mikroskop. Nein, wir fühlen uns in sie hinein. Unser Blut gerät in Wallung. So sind wir Menschen. Wir denken nicht nur an Fortpflanzung.

Und hier die definitive Version aus Band eins:

Edgar Steinalper erwachte langsam. Er spürte eine zärtliche Hand über seinen Oberkörper wandern. Die Hand bewegte sich tiefer. Er reckte sich ein wenig und öffnete die Augen. Seine Lebenspartnerin Lisa schaute ihn aus verschlafenen Augen an, die Haar zerzaust, die Wangen noch gerötet vom Schlaf.

«Guten Morgen.»

Sie gähnte und setzte ihr Streicheln fort. Er genoss ihre wohltuende Nähe. Eine vorwitzige Strähne ihres schwarzen Haares kitzelte ihn an der Nase.

Das zärtliche Spiel wurde abrupt abgebrochen, als sein Handy läutete.

Welche Version gefällt dir besser?

Die Meinung von Autoren

Ich habe drei Autoren und eine Autorin gefragt: Was denkst du über Sex in Romanen, im Speziellen in Krimis?

Anton Riva

«Wer etwas über Sex lesen will, kauft sicher nicht einen Kriminalroman.»

Conny Giammarresi

«Ich bin da sehr offen. Wir haben alle Sex, aber niemand will darüber reden.»

Charles-Louis Joris

«Das gehört alles dazu. Wegen Sex geschehen viele Verbrechen.»

Nicolas Eyer

«Das hängt von der Story ab. Ich würde es nicht als Verkaufsargument in meine Stories einflechten.»

Am Ende unseres Lebens haben wir im Schnitt 48 Tage lang Beischlaf mit allem Drum und Dran gehabt. Das ist fast schon eine homöopathische Dosis bei einer Lebenserwartung von 81,5 Jahren (Männer) und 85,3 Jahren (Frauen). Soll ein Roman eine Prise in derselben Dosierung enthalten? Was meinst du?

Der erste Satz

Es war einmal …

So beginnen die Märchen der Gebrüder Grimm, auch wenn nur knapp die Hälfte tatsächlich mit diesen Worten anfangen. Das ist zwar nicht sehr originell, aber dafür jedem bekannt. Kein Roman beginnt heute auf diese Weise. Du würdest das Buch nicht ernst neben und sofort wieder weglegen, ein Märchen willst du bestimmt nicht. Nein, du willst dich mit einem Buch vom Alltagsgrau ablenken, in eine andere Welt eintauchen, dich spannend unterhalten.

Der erste Satz aus vier verschiedenen Werken, von Autoren vorgelesen.

Und wie die Geschichte weitergeht.

Laufzeit 6:07

Der erste Satz

Das Besondere am ersten Satz ist, dass er am Anfang steht. Für die Leserinnen und Leser geht es mit dem ersten Satz los. Sie fragen sich, ob die Geschichte erzählenswert ist, ob sie das Buch kaufen sollen oder nicht. Mit dem ersten Satz will eine Autorin, ein Autor die Leser fesseln und zur Lektüre verführen. Eine Autorin muss den Satz so schreiben, dass, wer immer ihn liest, auch den zweiten lesen will. Und dann den dritten …

Inkubationszeit

Dem ersten Satz gehen manchmal Monate der Inkubationszeit und zahllose Fehlversuche voraus.

Die Initialzündung kann wie ein Blitz einschlagen wie bei mir einmal beim Joggen. Aus heiterem Himmel flogen mir die ersten Worte für meinen zweiten Krimi zu:

«Vorsichtig trat sie aus dem Gebüsch, bückte sich leicht, legte an und drückte ab.»

Bis dahin habe ich verschiedene Versionen ausprobiert, die mich nicht überzeugt haben.

Erwartungen

Was erwarten Leser von der Geschichte, wenn sie diesen Satz lesen? Dazu habe ich drei Autoren und eine Autorin interviewt, die meinen zweiten Krimi noch nicht gelesen haben. Sie bekamen nur den ersten Satz zu Gesicht. Den habe ich auf einem separaten Blatt ins Buch hineingelegt. 😊

Der erste Satz aus drei verschiedenen Werken

Drei Autoren lesen den ersten Satz aus einem ihrer Werke vor, und erzählen, wie es mit der Geschichte weitergeht.

Eyer Nicolas liest den ersten Satz aus seinem neuesten Buch: «Hinter den Rändern der Welt»

Anton Riva liest aus seinem Kriminalroman «Dreiecke auf der Haut»

Conny Giammarresi hatte ihr Buch leider nicht dabei. Schade. «In meinem Wunderland»

Charles-Louis Joris liest die kriminelle Geschichte «Der Göttigbub» aus dem Buch «Tatort Schweiz»

Die Macht von Cover und Titel

Die Wahrscheinlichkeit, dass du ein Buch übersiehst, ist 99 %! Warum das so ist, erkläre ich dir gleich.

Coverbild

Je nach Verlag haben Autoren beim Cover mehr, weniger oder gar kein Mitspracherecht. Bei meinem Verlag konnte ich sehr viel mitbestimmen. Die Fotos auf meinen Covers habe ich selber gemacht. Die Grafiker des Verlags haben dann aus den Bildern das Beste herausgeholt.

Ich möchte dir zeigen, warum ich mich bei meinen Krimis für das jeweilige Coverbild und den Titel entschieden habe. Ich habe zudem ein paar Leute gefragt, wie sie die Titelseite meiner Krimis empfinden, welche Gefühle das Coverbild in ihnen weckt.

Vier Männer waren bereit, mit mir das Video zu drehen. Laufzeit 7:42

Die Qual der Wahl

Und jetzt erkläre ich dir zuerst, warum ein Buch zu 99 % übersehen werden kann. In einer Buchhandlung oder online bist du mit zigtausenden Büchern konfrontiert. Meistens hast du Schwierigkeiten, dich zwischen all den Büchern zu entscheiden. Du löst das Problem dadurch, dass du auf dein «schnelles» Gehirn zurückgreifst, auf die emotionalen Mechanismen, die dir eine rasche Auswahl ermöglichen. Damit bist du in der Lage, in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu treffen.

2/3 plus 1/3 =  ?

Ich habe mal gelesen: Ob ein Buch gekauft wird oder nicht, entscheide zu rund zwei Drittel das Cover und zu knapp einem Drittel der Titel. Die restlichen wenigen Prozent mache der Inhalt aus. Kaum vorstellbar, nicht wahr? Zwei Drittel und ein Drittel gibt doch 100 Prozent! Aber im Kern stimmt die Aussage: Soll ein Buch gekauft werden, müssen Cover und Titel den Käufer ansprechen.

Kaufen ja oder nein?

Wenn du Titel und Coverbild siehst, triffst du unbewusst bereits eine emotionale Entscheidung. Nimmst du daraufhin das Buch in die Hand, so suchst du (unbewusst) nur mehr nach rationalen Argumenten, um die bereits getroffene Entscheidung zu bestätigen. Du liest den Klappentext und die erste Seite. (Ich kenne Leser, die die letzte Seite zuerst anschauen. 😊) Doch jetzt kann nur mehr passieren, dass das Buch an deinen Vorlieben völlig vorbeigeht. Zu 95 % wird das Buch gekauft, wenn es einmal in die Hand genommen wurde.

Buchtitel

Neben dem Coverbild hat der Titel die größte Bedeutung, damit es gekauft wird. Ein Titel sollte emotionale Aufmerksamkeit erzeugen. Ein Titel kann, muss aber nicht einen Bezug zum Inhalt haben. Und er darf so noch nie verwendet worden sein, dies die Vorgabe von Verlagen.

Meine Titel

Mein erster Krimi hatte am Anfang den Titel: «Das Spiel mit den Kapseln», weil sowohl das Anti-Demenz-Medikament für die älteren Leute wie das Kokain für die Jungen von den Verbrechern in Kapselform hergestellt und verkauft werden.

In Band zwei trug der Roman am Anfang Titel wie «Mord am Bettmersee» oder «Der mit Wolf stirbt». Doch dann habe ich die Redewendung «Der Wolf im Schafspelz» in «Der Tote im Wolfspelz» umformuliert. Der Mörder kommt wie der Wolf im Schafspelz daher und das Opfer ahnt überhaupt nichts Böses. Beide definitiv gewählten Titel für Band eins und zwei nehmen Bezug auf den Inhalt des Romans.

Deine Meinung ist gefragt

Hast du dir die Titel leicht merken können? Hätten dich die anderen Titel angesprochen? Was denkst du über meine Covers, wie entscheidest du dich für oder gegen den Kauf eines Buches? Schreibe einen Kommentar, eine Nachricht auf WhatsApp oder eine E-Mail. Dankeschön.

Die Sache mit den Namen

Der passende Name

Lange habe ich mir überlegt, wie denn mein Kommissar heißen sollte. In den ersten Manuskripten hieße er mal Winkler oder Winkel. Doch das schien mir zu ähnlich mit meinem Familiennamen. Dann hieß er mal Walker. Aber da schlich sich bei mir immer ein Bild von einem Haufen Käse vor mein inneres Auge, ist der Name doch bei uns eng verbunden mit einem großen Käsehersteller.

Das Bild in unserem Kopf

Warum hatte ich diese Vorstellung vom Namen Walker? Wenn du den Namen einer Person zum ersten Mal hörst oder liest, ohne die Person zu sehen oder gesprochen zu haben, dann wirst du dir ein Bild von dieser Person machen, auch wenn du das nicht willst. Jeder Name erzeugt eine Vorstellung in unserem Kopf: in jedem Kopf eine andere.

Spontan waren Inhaber von Geschäften in der Briger Innenstadt bereit beim Video mitzumachen.

Laufzeit 5:36

Stockalper?

In einer Version hieß mein Kommissar Stockalper, wie der mächtige Handelsherr des Wallis im 17. Jahrhundert, der mit dem Stockalperschloss in Brig den größten weltlichen Barockbau im Alpenraum errichten ließ. Ich fand, einem Kommissar stünde ein solch berühmter Name nicht schlecht an. Aber womöglich wäre ich mit den Nachkommen in Konflikt gekommen.

Karten

Also musste ein anderer Name her für meinen Kommissar. Ich fragte mich, woher der Name Stockalper kam, vielleicht von Stockalpe, also von einer Alp mit diesem Namen, einem Sömmerungsgebiet für das Vieh. Ich wurde auf den geografischen Karten fündig. Und gleichzeitig entdeckte ich Alpen mit dem Namen Steinalp. Ich stellte mir vor, dass das hochalpine Zonen sind, wo außer Geröll und Steinen nichts ist.

Steinalper

Auf einmal wusste ich, wie mein Kommissar heißen sollte: Steinalper. Den Namen gibt es nicht, nirgends. Er steht für einen Mann, der hart im Nehmen ist wie die Steine auf der Hochalp. Ein Mann, der charmant und höflich im Ton, aber immer hart in der Sache ist.

Lauber & Zurwerra

Neben dem Kommissar galt es, die Namen für die engsten Mitarbeiter Steinalpers zu bestimmen. Typische Walliser Namen aus der Region sollten es sein, und trotzdem durfte kein Mensch in unserer Gegend so heißen. Lauber und Zurwerra sind bei uns häufige Familiennamen. Dem langjährigen Assistenten habe ich den Namen Leon Lauber gegeben. Die Inspektorin, die in Band zwei zum Team dazu stößt, nannte ich Lara Zurwerra. Die übrigen Figuren in meinen Krimis tragen meist lokale Namen. Aber es gibt auch erfundene Namen, wie z.B. Hirschfeld in Band zwei.

Mitmachen

Einmal hielt ich eine Lesung vor einem leicht angeheiterten Publikum. Gleich mehrere Leute wollten in meinem nächsten Krimi mit ihrem Namen mitmachen. Nach dem das allgemeine Gelächter abgeebbt war, fragte ich trocken, ob sie denn lieber als Mordopfer oder als Schurke auftreten möchten.

Pseudonym?

Eine andere Namensentscheidung war schwierig für mich. Welcher Name soll in Zukunft mit meinen Krimis verbunden sein? Soll ich ein Pseudonym als Autorenname wählen oder nicht? Als Brigitta war ich getauft worden, diesen Vornamen wählte ich. Mein Familienname ist ganz okay, schien mir aber zu lang, deshalb habe ich die ersten zwei Buchstaben weggelassen. Am Telefon habe ich mich ohnehin immer so rasch gemeldet, dass die Anrufer nur noch «Winkelried» verstanden haben.  Es kam vor, dass jemand darauf antwortete: Aber ich habe doch «Imwinkelried» gewählt. Bin ich falsch verbunden?

Schreiben können doch alle – denkste!

Ich hatte schon als Kind eine enorme Phantasie.

Ich verkleidete mich gerne, wollte sein wie die Erwachsenen, denen viel mehr erlaubt war als mir. Meine Mutter brachte mir früh Lesen und Schreiben bei. Eine neue Welt tat sich für mich auf. Mit Spannung las ich die ersten Bücher, die ich geschenkt bekam. Dass ich einmal selber welche schreiben würde, ahnte ich damals noch nicht.

Ich war fasziniert von den Geschichten zwischen den Buchdeckeln. Als ich «Der rote Seidenschal» von Federica des Cesco las, wollte ich ein Indianer sein: eins mit der Natur, wild und tapfer.  Als ich Bruno Staneks Raumfahrt-Buch las, wollte ich ins All fliegen, ferne Planeten erkunden. Ich begann, überall zu lesen, wenn nötig nachts unter der Bettdecke im Schein einer Taschenlampe, ich verschlang alles, was ich zu fassen kriegte.

An einem stürmischen Tag vor der Kirche, in meiner Nähe ein stark betrunkener Mann. Er stört mich immer wieder. Doch unbeirrt erzähle ich meine Geschichte.

Laufzeit des Videos: 4:01

Aber wie kommt eine Leseratte wie ich auf die Idee, ein Buch zu schreiben?

Der Grund liegt in der Krankheit, die Ende 2015 bei mir ausbrach. Auf einmal war mein Leben aus den Fugen. Bei der Arbeit fiel ich monatelang aus. Nichts wollte ich lieber, als wieder zu unterrichten. Doch es ging nicht mehr wie früher.

Im Sommer saß ich auf der Terrasse, genoss die Hitze und das Nichtstun. Träge schwappten meine Gedanken hin und her, hierhin und dorthin. Immer wieder tauchten dieselben Gedanken auf: Wie wird das weitergehen mit meiner Krankheit, wird mein Leben je wieder so sein, wie es war? Wenn nicht, soll ich meine Stelle kündigen? Mir wurde klar: Ein Hundertprozent-Job, das geht nicht mehr. Ich werde kündigen und danach werde ich einen Krimi schreiben. Gleich nach den Ferien fang ich damit an.

Ahnungslos

Hätte ich gar nicht erst mit Schreiben angefangen, wenn ich gewusst hätte, auf was ich mich da einließ? Möglich, aber unwahrscheinlich.

Damals dachte ich wie viele Leute auch: Schreiben können doch alle. Nur Zeit haben nicht alle und ich hatte auf einmal Zeit. Was ich nicht wusste: Um einen Roman zu schreiben, muss man lange üben, hart arbeiten und das Handwerk lernen. Und man muss leiden können. Hart arbeiten, das konnte ich, das habe ich für meinen Unterricht getan. Was das Üben anbelangt: Mein Lebenspartner, André sagte mir ganz klar, nachdem ich ihm die ersten Seiten zu Lesen gegeben habe, mein Manuskript sei völliger Mist. Er hatte Recht. Und dann fing das Leiden an. Aber ich gab nicht auf, überarbeitete den Text so oft, bis er okay war.

ein Verlag muss her

Jetzt musste nur noch ein Verlag her, der das Buch druckte. Wie schwierig das war, wusste ich nicht. Aber heute weiß ich: Nur rund ein Prozent der eingesandten Manuskripte werden von Verlagen angenommen. Mehr können sich die Verlage nicht leisten, sonst wären sie bald bankrott.

Am 18. Juni 2019 war es dann soweit: Ich hielt ich mein erstes Buch in den Händen. Ein schönes Buch, ich war sehr zufrieden. Jetzt war ich zur Schriftstellerin geworden.

Wenn mir das jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, ich hätte gelacht und gesagt, dafür hätte ich keine Zeit.

Bloggerin & visuelle Autorin

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